Die Graphax AG ist als Exklusiv-Vertretung von Konica Minolta eine der führenden Anbieterinnen von industriellen Digitaldrucklösungen in der Schweiz. Vor diesem Hintergrund kann man Graphax als recht exakten «Gradmesser» für das Drupa-Jahr bezeichnen. swiss print + communication sprach mit Daniel Nater, Teamleader Sales Professional Printing Deutschschweiz, und Manuel Simmen, Product Manager Professional Printing, über dieses und andere Themen.
Was kann man von Graphax und Konica Minolta für die Drupa 2024 erwarten?
Daniel Nater: Wir sind intern bereits voll in der «Pre-Drupa Season», in der wir laufend mit Informationen seitens Konica Minolta versorgt werden. Nach acht Jahren Pause ist die Messe das zentrale Ereignis, um sich der globalen Fachöffentlichkeit zu präsentieren. Im Gegensatz zu einem Mitbewerber im Digitaldrucksegment, welcher nicht in Düsseldorf sein wird, erachtet Konica Minolta den Auftritt an der Drupa nach wie vor als unverzichtbar, dementsprechend wird man auch einen ähnlich grossen Auftritt haben wie letztes Mal im Jahr 2016. Was Neuheiten betrifft, gibt es Informationen, die wir bereits teilen können, andere müssen wir noch zurückhalten, und es gibt natürlich auch Entwicklungen, von denen wir gerüchteweise hören, die sich aber Konica Minolta noch für die Drupa «aufheben» möchte. Klar ist, dass es ein Nachfolgemodell für die AccurioPress C83hc geben wird. Dieses Tonersystem mit erweitertem Farbraum ist gerade im Schweizer Markt sehr beliebt. Auf die Grösse des Landes bezogen, ist die Schweiz vielleicht sogar der weltweit wichtigste Markt, in absoluten Stückzahlen gehört man zu den Top 3. Weitere interessante Neuheiten wird es im Labelbereich und bei MGI geben. Hier haben wir konkrete Infos, können aber leider noch keine weiteren Aussagen machen. Was klar ist: es steht eine umfassende Erneuerung im industriellen Toner-Segment an. Vor drei Jahren stellte Konica Minolta die AccurioPress C14000-Serie vor und mit dieser waren und sind wir im Schweizer Markt sehr erfolgreich. 2024 wird man nun sehen, wie es da weitergeht. Wenn man den Kolleginnen und Kollegen von Konica Minolta zuhört, tönen sie ziemlich euphorisch.
Ist dieser Optimismus nicht ein bisschen dick aufgetragen? Die aktuelle Lage der Druckindustrie in der Schweiz und europaweit ist ja alles andere als positiv zu beurteilen.
Manuel Simmen: Da muss man genau hinschauen, wovon man spricht. Es ist so: wenn man die aktuellen Kennzahlen in der Schweiz und in Europa zur grafischen Industrie anschaut, ist 2023 ohne Zweifel ein schwieriges Jahr. Nach einem guten 2022, das von einem umfassenden Nachholeffekt geprägt war, gehen die Auftragsvolumen und dementsprechend Umsätze wieder deutlich zurück. Wir sehen Rückgänge von 10 bis 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch diese Volumenrückgänge betreffen in erster Linie das Offset-Geschäft. Diese negative Dynamik ist im Digitaldrucksegment nicht spürbar, im Gegenteil, da steigen die Druckvolumen. Was spürbar ist: wenn es trotz zufriedenstellenden Zahlen beim Digitaldruck-Volumen in der Schweiz immer weniger Druckereien gibt, dann hat es auch für uns immer weniger potenzielle Geschäftspartner und der Kampf um diese Unternehmen mit den Mitbewerbern wird härter. Die Aussage zur «optimistischen Stimmung» bezieht sich auf die Vorstellung von neuen Produktionstechnologien. Und da sind die Signale, die wir von Konica Minolta vernehmen, nun mal sehr zuversichtlich. Darum glauben wir, dass die Drupa 2024 für Überraschungen sorgen wird, dies wohl nicht nur bei Konica Minolta, sondern ebenfalls bei anderen Herstellern.
Gerade die Digitaldruck-Anbieter erzählen vor jeder Drupa von den neuen Game-Changer-Technologien, die alles von Grund auf verändern. Ist das, was Sie hier sagen, nicht einfach ein weiteres Kapitel von «Alter Wein in neuen Schläuchen?»
Manuel Simmen: Niemand spricht von neuen «Wunder-Technologien». Was Drucktechnologien betrifft, da gebe ich Ihnen recht, wird niemand mit einer Art Zauberstab an der Drupa 2024 auftauchen. Wir haben den Toner-Druck und wir haben den Inkjet-Druck, beide Technologien haben ihre Vor- und Nachteile. Da besteht eine kontinuierliche technologische Weiterentwicklung. Was aber viel wichtiger ist in der ganzen Beurteilung, sind die fundamentalen Veränderungen in den Druckmärkten. Seit über einem Jahrzehnt erleben wir einen permanenten Rückgang bei den Auflagen, die Drucklose werden immer zielgruppengerechter produziert. Konkret: man druckt gesamthaft weniger, aber man druckt immer mehr Klein- und Kleinstaufträge. Auflagen sinken, Anzahl Aufträge steigen. Die Nachfrage für individualisierte und personalisierte Auflagen nehmen zu. Gleichzeitig besteht ein grosses Potenzial für Verpackungen in Klein- und Kleinstauflagen, was so von den traditionellen Anbietern in diesem Segment, die analog produzieren, gar nicht abgedeckt werden kann. Da erzähle ich sicher Altbekanntes, doch wir sehen, dass wir langsam an einen Punkt kommen, wo sich die Märkte irreversibel ändern, was die Druckereien zum Handeln zwingt.
Was heisst das konkret?
Daniel Nater: «Ich spreche jetzt, da wir ja nur in der Schweiz tätig sind, vom hiesigen Markt. Was passiert da? Das Marktvolumen für Druckereien im 70×100-Bogensegment wird immer kleiner. Um zu überleben, werden diese Druckereien immer effizienter und sie setzen damit im industriellen Offsetdruck die kleineren Anbieter unter Druck. Niemand bestreitet aber, dass es auch in Zukunft einen Markt für höhervolumige Auflagen geben wird. Die gleiche Entwicklung sehen wir ebenfalls bei den zahlreichen KMU-Druckereien in der Schweiz. Auch für sie wird es immer schwieriger, zumindest ihre B2-Bogenoffsetmaschinen mit genügend Aufträgen zu füllen. In der Vergangenheit setzten viele noch immer auf eine Bogenoffsetmaschine, um grössere Auflagen wirtschaftlich produzieren zu können. Doch was passiert, wenn diese Aufträge nicht mehr kommen? Parallel dazu gibt es aber nach wie vor ein trotz allen Rückgängen lukratives Marktvolumen für Druckaufträge. Was soll man also tun? Soll ich nochmals in eine neue B2-Bogenoffsetmaschine investieren, obwohl meine Auftragsstruktur immer weniger zu solch einer Maschine passt? Wer weiterhin irgendwie drucken will, stellt sich ein B3-Digitaldrucksystem rein. Was machen aber die, die mehr brauchen, aber mit den angebotenen Bogenoffset-Lösungen nicht die richtige Antwort finden?
Sie sprechen hier ein Dilemma vieler KMU-Druckereien in der Schweiz an, die gewisse Entscheide seit Jahren vor sich herschieben. Aber das ist auch nicht unbedingt eine neue Thematik.
Manuel Simmen: Das stimmt. Aber da kommt wieder die globale Perspektive ins Spiel. Was Schweizer Druckereien wollen, ist das eine. Doch was, wenn die Zulieferindustrie sie «zwingt», Entscheide zu treffen? Wir bzw. Konica Minolta und alle anderen Digitaldruckhersteller schauen genau hin, was die verbliebenen Offsetanbieter machen. Der B3-Bogenoffset ist ein «Auslaufmodell», und auch für den B2-Bogenoffset sind die Aussichten unklar. Es ist wohl kein Zufall, wenn nun vermehrt Inkjet-Bogenmaschinen im B3- und im B2-Format angekündigt werden. Angesichts der uns vorliegenden Informationen sind wir von der Graphax AG überzeugt, dass die Zulieferindustrie in Düsseldorf konkrete Antworten liefern wird, wie es in diesem Marktsegment ab Mitte des Jahrzehnts weitergehen wird, und das ist gerade für den Schweizer Markt relevant.
Wird auch Konica Minolta, mit der KM1 im UV-Inkjet-Bogensegment seit 2016 mit einer B2-Maschine unterwegs, etwas im B3-Inkjet an die Drupa bringen?
Daniel Nater: Sagen wir es so: wir hoffen es!
Die AccurioJet KM-1e ist das Flaggschiff von Graphax im industriellen Druckmarkt. Doch so viele Installationen gibt es da bislang in der Schweiz nicht. Im Gegenteil, bislang gilt die Faustregel, dass der Schweizer Markt und B2-Digitaldruck nicht richtig zusammenpassen, weil sich dieser betriebswirtschaftlich nur selten rechnet.
Daniel Nater: Dass die Markterschliessung mit B2-Digitaldruck für alle Anbieter im Schweizer Markt eine Herausforderung darstellt, kann man nicht bestreiten. So wird beispielsweise die Komori IS29, technologisch die «Schwester » der KM1, nicht mehr angeboten. Aber mit Blick auf die möglichen Vorstellungen an der Drupa: die zu erwartenden Veränderungen im Angebot von Drucksystemen werden dazu führen, dass wir wahrscheinlich eine andere Ausgangslage haben werden als heute. Wenn man in gewissen Marktsegmenten schlichtweg keine Offsetmaschinen mehr erhält, wird man Investitionsentscheide anders fällen.
Sie gehen also davon aus, dass es bald keine B2- oder B3-Offsetmaschinen mehr geben wird?
Daniel Nater: Ob es überhaupt keine Angebote mehr geben wird, ist zum heutigen Zeitpunkt Spekulation. Aber die Auswahl wird mit Sicherheit deutlich kleiner sein, im Gegenzug wird es mehr Digitaldrucklösungen für den industriellen Druck im B3- und im B2-Formatbereich geben.
Kommen wir zurück zur AccurioJet KM-1e. Sie wird von Graphax schon seit mehreren Jahren als «Offsetersatz» im Markt angeboten. Wurde irgendwo diese Vision erfüllt?
Daniel Nater: Mit der AccurioJet KM-1e ersetzt man den Offsetdruck nur in Teilbereichen. Mehr hat Konica Minolta gar nie versprochen. Unsere Referenzkunden für dieses System, die Werner Druck & Medien in Basel und Cavelti in Gossau, setzen nach wir vor auf Offsetdruck. Die Strategie der beiden Unternehmen ist unterschiedlich. Werner Druck & Medien setzt auf Mehrwerte und Zusatznutzen. Parallel zur AccurioJet KM-1e HD hat man eine MGI Jet-Varnish und einen Motion Cutter bei uns beschafft. Damit kann man eine komplette und neu entwickelte Produktepalette wie beispielsweise Kleinstverpackungen anbieten. Man positionierte dort den Digitaldruck in der Aussenkommunikation bewusst «höherwertiger» als den Offsetdruck.
Bei der Firma Cavelti fährt man hingegen eine eher «klassische» Strategie und setzt auf kleinere Auflagen und eine Variantenvielfalt. Zudem setzt man bei der Cavelti AG auf die stärken der KM1 im Bereich Mailings und personalisierte Druckprodukte in hoher Qualität. Etliche Aufträge, die bis anhin auf einer Offsetmaschine produziert wurden, laufen nun auf der AccurioJet KM-1e. Was wir aber nicht vergessen dürfen: bei beiden Investitionsvorhaben wurde noch zusätzlich eine AccurioPress C14000 B-3-Tonermaschine geliefert. Damit boten wir ein Beschaffungspaket, das ideal «nach unten» abgerundet war. Deshalb: ja, wir haben mit diesen beiden Beispielen gezeigt, dass die von Ihnen als «Vision» bezeichnete Strategie in der Realität umgesetzt werden kann. Wir sind überzeugt davon, dass diese Beispiele in den kommenden Jahren mehr Nachahmer finden werden.
Die AccurioJet KM-1e ist ein UV-Inkjet-System. Das einzige seiner Art. Die Mitbewerber heben immer wieder hervor, dass ihre Systeme mehr dem Nachhaltigkeitsgedanken entsprechen, weil sie mit wasserbasiertem Inkjet arbeiten.
Manuel Simmen: Dem halte ich Folgendes entgegen: egal was Hersteller X oder Anbieter Y behaupten, Drucksysteme, die mit wasserbasierendem Ink arbeiten und ohne Zusatzbestandteile wie Primer oder spezielle Lacke produzieren, sind in der Flexibilität in der Auswahl der Bedruckstoffe oder Papiersorten sehr stark eingeschränkt. Wir hingegen können praktisch alles verarbeiten, sei es Kunststoff, seien es alle Arten von unbehandelten Papieren. Darum ist die AccurioJet KM-1e eine ideale Maschine für den Verpackungsdruck und Spezialitäten. Und mit Bezug auf die Nachhaltigkeit: UV-Farben im Verpackungsdruck oder im WideFormat-Segment sind beispielsweise die Regel und nicht die Ausnahme.
Wird es an der Drupa eine Weiterentwicklung der AccurioJet KM-1e geben?
Daniel Nater: Wir gehen davon aus. Was das aber alles beinhalten wird, können wir im Moment nicht sagen.
Ein interessanter Punkt: Im Gegensatz zu anderen Herstellern im Digitaldruck bietet Konica Minolta keine Rollen-Lösungen.
Daniel Nater: Das ist so, ist aber Teil einer klaren Strategie. Praktisch alle Anbieter, die heute im Rollen-Digitaldruckmarkt unterwegs sind, haben ihre Ursprünge im Rechnungsdruck. Doch das ist ein Segment, das keine Zukunft hat und stark rückläufig ist. Bleibt hier dann nur noch das Direktmailing-Geschäft. Konica Minolta hat in den letzten zehn Jahren im Rollen-Bereich Entwicklungen angestossen, doch das wurde aus den genannten Gründen alles eingestellt. Man fokussiert sich lieber auf das stetig wachsende Verpackungsgeschäft, und das ist, mit gewissen Ausnahmen wie der flexiblen Verpackung, nun mal bogenbasierend.
Was die Produktepalette betrifft, ist man von den Lösungen, die Konica Minolta/MGI anbieten, abhängig. Welchen Beitrag leistet da Graphax?
Manuel Simmen: Einen erheblichen! Wir haben uns nie als ein «Handelshaus» für die Produkte von Konica Minolta gesehen. Seit sie ihr Geschäft für den industriellen Druck stark ausgebaut haben, haben wir parallel dazu unser Know-how aufgebaut. Wir setzen auf ein grosses Team von spezialisierten Fachleuten, die wissen, was grafische Betriebe brauchen. Wir wollen unseren bestehenden und potenziellen Kunden helfen, die Transformation im industriellen Druck zu bewältigen. Da steht an der ersten Stelle Analyse und Beratung.
Erst dann kommt die passende Produktionslösung. Natürlich wollen wir am Ende unsere Maschinen und Dienstleistungen verkaufen. Aber es ist kontraproduktiv, Kunden falsche Versprechungen zu machen und unpassende Lösungen anzubieten, nur damit wir etwas mehr verkaufen.
Abschliessende Frage: warum soll jemand, mit Ausnahme des Besuchs des Konica Minolta-Standes, an die Drupa 2024 gehen?
Daniel Nater: Weil natürlich Konica Minolta sehr viele spannende Sachen zeigen wird. Aber wichtiger: wir werden nicht die Einzigen mit spannenden Neuheiten sein. Manuel und ich glauben aufgrund unserer Marktbeobachtungen, dass wir etliche vielversprechende Lösungen sehen werden. Da wird die Drupa 2024 deutlichere Antworten liefen, wie es weitergeht, als die Drupa 2016.